Portrait des Übersetzers Wolfgang Kubin: Ein Star in China

Ein Grenzgänger zwischen Deutschland und China, ein Übersetzer und Lyriker, aber auch ein Kritiker der chinesischen Literatur: Das alles ist Wolfgang Kubin. Dennoch ist er in China ein Star.

Der chinesischen Literatur verbunden. Bild: buchmesse frankfurt

FRANKFURT taz | Auf der Buchmesse ist er ein Star – ein stiller allerdings, trotz der neun Auftritte, die er zwischen Mittwoch und Sonntag zu bewältigen hat. Die absolviert der 64-jährige Sinologe, Übersetzer und Lyriker Wolfgang Kubin mit guter Kondition, die er sich bei Fußball und Laufen erworben hat. 32 wissenschaftliche und literarische Titel von Kubin plus etliche Übersetzungen verzeichnet die deutsche Nationalbiliothek in Frankfurt in ihrem Katalog.

Darunter die neunbändige Ausgabe der Werke des Schriftstellers Lu Xun (1881-1936), dessen Gesellschaftsanalysen bis heute unübertroffen sind. Internationales Renommé erlangte Kubin mit seiner 10 Bände umfassenden, rund 4000 Seiten starken „Geschichte der chinesischen Literatur des 20. Jahrhunderts“. Bis heute ein Standardwerk, das gerade ins Chinesische übersetzt wird.

Wolfgang Kubin ist ein streitbarer und kämpferischer Mensch. 1974 – mitten in der Kulturrevolution – ging er nach China und ließ sich von dieser brutalen Maskerade anfangs blenden. Heute bedauert er diesen Irrtum. 1975 kehrte er nach Deutschland zurück und beendete sein Sinologie-Studium in Bochum. Ab 1977 lehrte er chinesische Literatur und Kunst in Berlin, 1985 erhielt er einen Ruf nach Bonn.

Die indirekte, verklausulierte Rede ist nicht Kubins Sache. Auf der Buchmesse warf ihm ein junger chinesischer Schriftsteller vor, er halte sich nicht an die chinesische Etikette. Man sage nicht, „Ich führe jetzt Krieg“, sondern „Ich gehe jagen“. Kubin beschied den Schriftsteller freundlich mit dem Hinweis, gerade weil er die chinesischen Schriftsteller so schätze, kritisiere er sie dort, wo es nötig sei.

Mit solchen Ansichten provoziert Kubin, 2006 löste er in China eine hitzige Debatte aus. Er warf den zeitgenössischen Autoren vor, wichtigen Themen aus mangelnder Zivilcourage auszuweichen, außerdem schrieben sie schlecht. Die gesamte chinesische Literatur nach 1949 habe den Anschluss an die Moderne verloren, den sie in den 1920er und 1930er Jahre noch gehabt habe.

Kubin sieht darin einen Zusammenhang mit dem ungeheuren Traditionsbruch, der in China 1992 stattgefunden hat: „1992 hat sich China total verabschiedet von der Tradition“ – also von Konfuzianismus, Taoismus und Buddhismus. Die bis dahin von der chinesischen Kultur über Jahrhunderte gepflegte Hochachtung vor Armut, Selbsterziehung und Bescheidenheit wurde in einem Akt rasanter Vulgarisierung unter dem Motto „Modernisierung“ über Bord geworfen.

Die Verehrung von Geld und Reichtum erfasste die Gesellschaft – auch viele Schriftsteller –, was zu einem einschneidenden Traditionsverlust und zur Trivialisierung in vielen kulturell relevanten Bereichen führte. Den hierzulande sehr erfolgreichen Autor Zhang Xianliang bezeichnet Kubin etwa als „reinen Geschäftsmann“.

Mit solchen schroffen Thesen ist Kubin in China auf viel Widerspruch gestoßen. Dennoch hat er 2007 die höchst dotierte literarische Auszeichnung erhalten: den chinesischen Staatspreis. Und das, obwohl er vorwiegend Werke von chinesischen Dissidenten übersetzt hat.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.