Umgang der Kirche mit der freien Presse: Woelki will Wellen reiten

Der berüchtigte Kölner Kardinal Woelki will mehr Einfluss auf das „Domradio“. Statt kritischen Inhalten könnte der Sender dann kirchlicher werden.

Kardinal Woelki bei einer Messe.

Rainer Maria Woelki, Kardinal von Köln, bei einer Messe im Dom Foto: Oliver Berg/dpa

„Einen guten Draht nach oben“, verspricht der katholische Multimediasender Domradio. Angesichts der jüngsten Pläne des Erzbistums Köln soll dieser Draht aber zukünftig eher zum Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki als zu Gott führen. Das Domradio ist ein großer Player in der christlichen Medienlandschaft.

Seit dem Sendestart im Jahr 2001 versucht es den Spagat zwischen theologischen Betrachtungen etwa über den Marienmonat Mai und Beiträgen, die kritisch auf Kirche und Welt blicken. „Vielfalt in der Kirche fördern“, so ist zum Beispiel ein Artikel des Domradios überschrieben.

Diese Freiheit in der Themenwahl wurde stets durch eine spezielle Struktur abgesichert, die bei Gründung des Senders durch den ehemaligen Kölner Erz­bischof Joachim Kardinal Meisner eingerichtet worden war: Das Domradio erhält zwar Zuschüsse des Erzbistums Köln – der „Wirtschaftsplan 2024“ sieht etwa 3,8 Millionen Euro vor – Träger ist allerdings das Bildungswerk des Erzbistums, also ein formal unabhängiger Verein.

Das Domradio ist somit kein offizieller Teil der Öffentlichkeitsarbeit des Erzbistums Köln und kann sich deshalb auch jenseits der häufig engen Grenzen kirchlicher PR bewegen.

Unmittelbarer Zugriff auf Multimediasender

Im März machte der Journalist Joachim Frank im Kölner Stadtanzeiger öffentlich, dass das Domradio in eine gemeinnützige GmbH überführt werden solle. Das Erzbistum Köln hätte dadurch unmittelbaren Zugriff auf den Multimediasender und könnte diesen nach seinen Vorstellungen formen. Eine Veränderung, die für den Umbruch im kirchlichen Journalismus und das zusehends angespannte Verhältnis der Kirchen zur freien Presse exemplarisch wäre.

Eine Person schaut auf einen Schnittbildschirm.

Ein Redakteur führt am Video-Schnittplatz von domradio.de Regie bei der Liveübertragung eines Gottesdienstes, 20. Mai 2021 Foto: Harald Oppitz/KNA

Wie das genau passieren soll, ist noch nicht klar. Das Erzbistum Köln bezeichnete die Umstrukturierung in einer kurzen Pressemitteilung im März als „Stärkung“ des Domradios. Es müsse sich mit Blick auf die „zunehmende gesellschaftliche Polarisierung und die rasante Entwicklung im Medienbereich“ weiterentwickeln. Das „journalistische Profil“ solle aber erhalten und sogar ausgebaut werden, teilte das Erzbistum später auf Anfrage der taz mit.

Dem entgegen befürchten viele Use­r*in­nen in den sozialen Medien, dass sich das Domradio zu einer Art Werbeportal wandeln könnte. Und dass sich der Sender nach dem Eingriff stärker der sogenannten Neuevangelisierung widmen könnte. Darunter wird meistens eine spirituelle Erneuerung der katholischen Kirche verstanden, die Menschen in säkularisierten Gesellschaften wieder an den Glauben heranführen soll.

Diese Ängste sind nicht unbegründet: Bisher gab der Sender immer wieder Reformkräften eine Plattform, die sich wie die Benediktinerschwester Philippa Rath für Gleichberechtigung in der Kirche starkmachen. „Endlich ist das Tabu gebrochen“, sagte Rath etwa 2022 in einer Domradio-Sendung über Frauen in Kirchenämtern.

Damit steht sie in direkter Opposition zum Kölner Erzbischof Woelki. Er hatte das Anliegen von Frauen, die Weihe zur Diakonin oder gar Priesterin empfangen zu dürfen, in der Vergangenheit mehrmals zurückgewiesen. Zudem würden die Auseinandersetzungen um Machtverhältnisse und Strukturen der spirituellen Erneuerung der katholischen Kirche schaden, kritisierte der Erzbischof wiederholt. Wie sähe wohl ein Domradio nach Woelkis Geschmack aus?

DJV kritisiert das Kölner Vorhaben

Auch journalistische Ex­per­t*in­nen wie der Landesverband Nordrhein-Westfalen des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV) kritisierten das Kölner Vorhaben: Woelki erweise mit seinen Plänen „der Idee eines professionellen, eigenständigen Kirchenjournalismus einen Bärendienst“.

Der Programmbeirat des Domradios warnte vor einer weiteren Folge: Der Trägerwechsel könnte zu einer neuen medienrechtlichen Bewertung der Landesmedienanstalt NRW und damit zum Verlust der Sendelizenz führen. Andere kirchennahe Medien sind schon davon betroffen.

Zum Beispiel beschlossen die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) und die acht Trägerbistümer 2010, dass sich die traditionsreiche Wochenzeitung Rheinischer Merkur den „gewandelten Bedingungen des Medienmarktes“ anpassen müsse, obwohl sie noch mehr als 60.000 Le­se­r*in­nen erreichte. Die Verantwortlichen versicherten damals, dass die Entscheidung keinen „Rückzug der Kirche aus der Publizistik oder aus dem gesellschaftlichen Diskurs“ bedeute.

Ganz eingestellt wurde die Zeitung nicht, stattdessen erschien sie fortan unter dem Namen Christ & Welt als Wochenbeilage der ZEIT und ging 2016 vollständig in deren Besitz über.

Angesichts der immer größeren Distanz der Kirchen zu den Medien fällt auf, dass manche ihrer Ver­tre­te­r*in­nen gleichzeitig den Kontakt zu ausgewählten Medien suchen. So feierte der Kölner Erzbischof Woelki anlässlich des 75. Geburtstags der Tagespost im September 2023 eine Messe im Würzburger Neumünster. Die Wochenzeitung sei ein „Symbol für Freiheit“, so der Kardinal in seiner Predigt.

Stimme einer schweigenden Mehrheit

Seit ihrer Gründung widme sich die Tagespost dem „Dienst der Evangelisierung“. Ähnlich wie andere rechte Ak­teu­r*in­nen inszeniert sich die Tagespost trotz einer vergleichsweise geringen Auflage von etwa 10.000 Exemplaren gerne als Stimme einer angeblich schweigenden Mehrheit innerhalb der katholischen Kirche.

Darüber hinaus hat sich das Blatt in den vergangenen Jahren radikalisiert. Ver­tre­te­r*in­nen der Neuen Rechten, wie der belgische Historiker David Engels, gehören zu den regelmäßigen Gastautor*innen. Er argumentierte jüngst auf der „National Conservatism Conference“ in Brüssel dafür, dass „wir unsere eigene Zivilisation den anderen vorziehen sollten“.

Zu kirchlichen Fragen kommen ebenfalls mehrheitlich radikale Stimmen zu Wort. Beispielsweise wird häufig gegen das Frauendiakonat geschossen, obwohl selbst der Vatikan angeregt darüber debattiert. Das Erzbistum Köln wollte eine Frage der taz bezüglich der Nähe von Erzbischof Woelki zur Tagespost nicht kommentieren.

Das Domradio bildet diese Diskussion in ihrer Offenheit ab und trifft damit wohl weniger den Geschmack des Kölner Oberhirten. Vielleicht ändert sich das, wenn er größeren Einfluss auf den Multimediasender ausüben kann.

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