Verzweifelter Arbeitskampf in Sachsen: Aussperrung statt Tarifvertrag

180 Tage haben Beschäftigte einer Recyclingfirma gestreikt. Jetzt werden sie ausgesperrt. Bitter für die IG Metall!

Ein Streikposten steht vor dem Besuch von Sachsens Ministerpräsident Kretschmer vor dem Recycling-Betrieb SRW.

Seit dem 8. November 2023 kämpfen Mitarbeiter von SRW für bessere Arbeitsbedingungen. Jetzt werden sie ausgesperrt Foto: Jan Woitas/dpa

Es ist ein trauriger Rekord. 180 Tage haben die Schrotterinnen und Schrotter im sächsischen Espenhain gestreikt. Doch das war’s jetzt. Der längste Streik in der Geschichte der IG Metall hat kein glückliches Ende gefunden – auch wenn die Gewerkschaft, um ihre Niederlage nicht eingestehen zu müssen, noch davon spricht, ihn nur „unterbrochen“ zu haben.

Das ganze Gerede der vergangenen Wochen über die angeblich ins Unermessliche gestiegene Macht der Gewerkschaften und das vermeintlich allzu ar­beit­neh­me­r:in­nen­freund­li­che deutsche Streikrecht hat sich vor einem Werkstor südlich von Leipzig als Demagogie der Arbeitgeberlobby enttarnt. Nicht einmal die zahlreiche Politprominenz bis hin zum sächsischen CDU-Ministerpräsidenten Michael Kretschmer, die die Streikenden besucht hat, hat ihnen mehr als folgenlose Schulterklopferei eingebracht.

Dabei waren ihre Forderungen alles andere als revolutionär. Die Beschäftigten wollten nicht mehr als einen Tarifvertrag, der dafür sorgt, dass sie nicht länger mehrere Hundert Euro im Monat weniger als ihre Kol­le­g:in­nen in vergleichbaren Betrieben im Westen verdienen und dafür auch noch länger arbeiten müssen.

Das bittere Ergebnis: Dem Arbeitgeber SRW metalfloat reicht es nicht, die Streikenden mit seiner Hartleibigkeit zermürbt zu haben, er verweigert ihnen jetzt auch noch die Wiederaufnahme der Arbeit. Zunächst bis zum 31. Mai werden sie ausgesperrt. Diese Demütigung bedeutet für die rund 90 Betroffenen, weiterhin keinen Lohn zu erhalten, sondern auf das deutlich niedrigere Streikgeld der Gewerkschaft angewiesen zu sein. Das ist hart für Menschen, deren Stundenlohn ohnehin nur knapp über dem Mindestlohn liegt.

Hinter der SRW metalfloat in Espenhain steckt ein chinesischer Konzern. Mit US-amerikanischen Kapitalisten wie Elon Musk (Tesla) oder Jeff Bezos (Amazon) hat er gemeinsam, nichts von deutschen Sozialpartnerschaftsmodellen zu halten. Gewerkschaften und Tarifverträge sind ihnen ein Gräuel. Weder die IG Metall noch Verdi haben bislang eine Antwort gefunden, wie sie diesen Kulturkampf gewinnen können.

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Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Mehrere Buchveröffentlichungen (u.a. „Endstation Rücktritt!? Warum deutsche Politiker einpacken“, Bouvier Verlag, 2011). Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft.

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