Medien und Bürgerkrieg im Sudan: Ein von vielen vergessener Konflikt

Selbst afrikanische Nachrichtenagenturen vernachlässigen den Bürgerkrieg im Sudan. Konfliktparteien kämpfen um die sozialen Medien.

Ein Soldat der sudanesischen Armee sitz auf einem Pick-up und hält sein Gewehr fest

Ein Soldat der sudanesischen Streitkräfte im März dieses Jahres Foto: El Tayeb Siddig/reuters

KAIRO taz | Ende April 2023, kurz nach dem Ausbruch der Kämpfe zwischen Sudans Streitkräften (SAF) und den Rapid Support Forces (RSF), warnte ein Bericht von Reuters vor einem Engpass bei der Versorgung mit natürlichem Gummi aufgrund des neuen Bürgerkriegs. Dieser wirtschaftliche Blickwinkel auf die Geschehnisse im Sudan ist nicht unüblich. Er spiegelt die begrenzte Sicht wider, mit der ein Großteil der Welt den sudanesischen Konflikt betrachtet. Dabei wird der Ernst der Lage immer wieder unterschätzt und auf wirtschaftliche Folgen reduziert. Die Tragödie des Sudans wird so zu einer Geschichte, die nur zur Hälfte erzählt wird.

Diese Verkürzung ist nicht auf westliche Medien beschränkt. Zu Beginn des Konflikts verließen sich die Su­da­ner:in­nen stark auf regionale Nachrichtensender wie Al Jazeera. Dessen Berichterstattung rund um die Uhr und mit lokalen Jour­na­lis­t:in­nen vor Ort war von unschätzbarem Wert. Doch nach dem 7. Oktober 2023, als der Gaza­streifen in den Fokus der Medien rückte, wurde sie abrupt unterbrochen.

Sogar bei den afrikanischen Nachrichtenagenturen bleibt der Sudan auf der Strecke. Ein mit Open-Source-Intelligence-Daten (OSINT) gefüttertes Tool namens CivicSignal zeigt, dass auch afrikanische Nachrichtenredaktionen seit Mitte März fast dreimal weniger über den sudanesischen Bürgerkrieg berichtet haben als jeweils über die viel stärker beachteten Konflikte in der Ukraine und im Gazastreifen.

Vernächlassigung durch die Medien im eigenen Land

Dem sudanesischen Publikum bleiben nur wenige Möglichkeiten zur Information: über lokale Medien, deren Arbeit von der Regierung häufig eingeschränkt wird, oder wenn überregionale und internationale Medien doch einmal über humanitäre Krisen oder Friedensgespräche berichten.

Der Mangel an lokalen Medien stellt ein großes Hindernis für ein Verständnis der Situation im Sudan dar

Auch wenn die bloße Anzahl von Berichten nicht der einzige Gradmesser für das Engagement eines Mediums für ein bestimmtes Land ist, so illustriert es die Lage im Falle Sudans doch recht gut. Die Kombination aus seltenen Meldungen und der oberflächlichen Art der Berichterstattung zeichnet zusammen ein deutliches Bild von der Vernachlässigung durch die Medien.

Dabei hat sich die Medienlandschaft im Sudan nach der Revolution im Jahr 2019 verändert: Eine Handvoll unabhängiger Zeitungen versucht seither, sich von der Kontrolle der Regierung zu lösen. Staatliche Giganten wie der TV-Sender Sudan National Television beherrschen jedoch nach wie vor den Äther.

Diese Dominanz führt zu einer einseitigen Sichtweise im Sinne der Regierung, welche im aktuellen Konflikt die SAF bevorzugt und selbst Desinformation betreibt. Gerade der Mangel an lokalen Medien stellt ein erhebliches Hindernis für ein umfassendes Verständnis der Situation im Sudan dar.

Pressefreiheit wird eingeschränkt

Zudem mussten Sky News Arabia und zwischendurch auch Al Arabiya, beides prominente regionale TV-Sender, ihre Arbeit aussetzen – wegen angeblicher „Unprofessionalität und mangelnder Transparenz“. Zwar gibt es tatsächlich Bedenken bezüglich ihrer Verbindungen zu Ländern, die der Einmischung in den sudanesischen Konflikt beschuldigt werden. Doch hätten diese Probleme angegangen werden können, ohne gleich die Pressefreiheit einzuschränken.

Es ist nicht das erste Mal, dass Konflikte im Sudan von den Medien übersehen wurden. Vom langanhaltenden Krieg in Darfur bis zur blutigen Abspaltung des Südsudans hat das Land eine düstere Geschichte von bewaffneten Auseinandersetzungen, über die nicht ausreichend berichtet wurde.

Und selbst die Recherchen über die Gewalt bei der Niederschlagung friedlicher Proteste in den Jahren 2019 und 2021 stützten sich in hohem Maße auf die Arbeit von Bür­ger­jour­na­lis­t:in­nen in sozialen Medien, die auf im Internet verfügbare Inhalte zurückgriffen.

Doch während sich die Überprüfung von Online-Quellen während der Proteste als relativ einfach erwies, ist das im aktuellen Konflikt deutlich schwieriger. Beide Seiten verbreiten im Internet Propaganda und Desinformationen, die den Konflikt weiter anheizen. Die SAF und die RSF kämpfen nicht nur um territoriale Hoheit, sondern auch um die Kontrolle der Darstellung des Geschehens in den sozialen Medien. Im Kreuzfeuer stehen die einfachen sudanesischen Bürger:innen. Sie suchen verzweifelt nach zuverlässigen Nachrichten – und sind dem Informationskrieg hilflos ausgeliefert.

Die Autorin ist Datenanalystin und Journalistin aus Khartum. Im Mai 2022 beschrieb sie ihre Flucht aus der umkämpften Stadt. 2022 nahm sie an einem Workshop der taz Panter Stiftung in Berlin teil

Sudan: Rangliste der Pressefreiheit: Platz 149

Dieser Artikel ist am 3. Mai 2024 als Teil einer gemeinsamen Sonderbeilage der taz Panter Stiftung und Reporter ohne Grenzen zum Tag der Pressefreiheit erschienen. Weitere Infos hier.

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