Texte Osteuropa-Workshop Herbst 2023: Was Krieg mit Kunst macht

Die taz Panter Stiftung bringt Jour­nali­s­t:in­nen aus Nachfolgestaaten der Sowjetunion in Berlin zusammen. Das ist eine Herausforderung.

Manuel Fazzini

Leise und laute Töne: Spiel auf der Klaviatur des Krieges Illustration: Manuel Fazzini

BERLIN taz | Er hebt seine rechte Hand zum Schwur kerzengerade empor, die linke legt er auf sein Herz. Ein scharfer Wind scheint ihm ins Gesicht zu wehen, mit wachen Augen und weit geöffnetem Mund beteuert er: „Nie wieder Krieg!“ Die bekannteste Lithografie der Grafikerin und Malerin Käthe Kollwitz wurde als Antikriegsplakat vor etwa 100 Jahren zu einem Symbolbild. Damit nicht genug: Dieser Aufruf eines jungen Mannes ist heute dringlicher denn je.

Vom 22. bis 30. November fand in Berlin ein Osteuropa-Workshop der taz Panter Stiftung statt, nach einer ähnlichen Veranstaltung im Frühsommer in der lettischen Hauptstadt Riga bereits der zweite in diesem Jahr. Die Teil­neh­me­r:in­nen sind Jour­na­lis­t:in­nen und Künst­le­r:in­nen aus acht Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Der Workshop mit dem Titel „Krieg und Kunst“ ist Teil der Projektreihe „Krieg und Frieden – Austausch über Grenzen hinweg“, die wir mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes im vergangenen Jahr ins Leben gerufen haben.

Was auf den ersten Blick so lapidar wie routiniert anmutet, ist es spätestens seit dem Beginn von Russlands Angriffskriegs gegen die Ukraine am 24. Februar 2022 beileibe nicht mehr. Dieser Krieg ist eine Zäsur in der europäischen Nachkriegsgeschichte. Er hat schon jetzt vieles, wenn nicht gar alles, verändert. Die Konsequenzen sind in ihrer gesamten Bandbreite und Tragweite noch gar nicht absehbar. Doch schon jetzt zeichnet sich ab: Die Beziehungen zwischen den Menschen in Russland und der Ukraine werden auf Generationen vergiftet sein.

Der Umgang mit der russischen Aggression und Invasion der Ukraine ist auch für Medien- und Kulturschaffende eine große Herausforderung. Beide schaffen Zeugnisse des Krieges, wollen Menschen zum Nachdenken anregen und sie zu eigenem Handeln inspirieren.

Sonderbeilage und Ausstellung nach dem Workshop

Über das Spannungsfeld von Kunst und Krieg diskutieren aus postsowjetischer Perspektive elf Jour­na­lis­t:in­nen aus der Ukraine, Belarus, Armenien, der Republik Moldau, aus Russland, Kasachstan und Kirgistan. Einige von ihnen leben im Exil, sie haben in Lettland Zuflucht gefunden. Die Jour­na­lis­t:in­nen debattieren auch am Objekt: Drei Kulturschaffende aus der Ukraine, Belarus und Georgien stellen auf Einladung der taz Panter Stiftung ihre Kunst im Rahmen des Workshops in Berlin aus. Eine Sonderbeilage über Kunst und Krieg ist am Mittwoch, den 29. November erschienen. Alle Texte sind unter dem Schwerpunkt Osteuropa-Workshops zu finden: http://taz.de/panterstiftung/osteuropa

Unterstützen Sie die taz Panter Stiftung und ihre Projekte in Osteuropa mit einer Spende. Mehr erfahren

Als Kooperationspartner fungiert der Kunstverein Ost – kurz KVOST. Die Ausstellung „All the Dots Connected Form an Open Space Within“ geht der Frage nach, wie das Erleben von Gewalt, Unterdrückung und das Grauen des Krieges künstlerisch anhand persönlicher Erkundungen reflektiert werden kann. Im Fokus steht dabei, wie dieses Erleben sich auf das tägliche Leben und die eigene Umgebung auswirkt, aber auch auf verschiedene Strategien des Widerstands.

Die 1924 geschaffene Illustration „Nie wieder Krieg“ von Käthe Kollwitz wurde damals zu einem symbolischen Bild eines kriegsmüden, um Frieden tief besorgten Teils einer ganzen Generation. Sie transportiert die Vergangenheit in die Gegenwart und ermöglicht dadurch ein Anknüpfen über Generationen hinweg.

Was wird in der Zukunft einmal stellvertretend für unsere heutige Zeit, für die Rezeption des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine stehen? Welches Kunstwerk, welche Illustration, welches Bild und welche Skulptur auch immer diese Symbolkraft entwickeln wird – Jour­na­lis­t:in­nen werden darüber ­schreiben, kontroverse Diskussionen abbilden und den jeweiligen Kontext schaffen.

Wir, als Journalist:innen, als Kün­st­ler:innen, als Zivilgesellschaft müssen weiter genau hinsehen und hinhören. Wir dürfen, auch wenn es manchmal sehr schwerfällt, nicht kriegs- und krisenmüde werden. Gerade auch aus diesem Grund fördert die taz Panter Stiftung weiter unabhängige und kritische Menschen aus Osteuropa und Zentral­asien, die sich für Menschenrechte und Demokratie einsetzen sowie gegen Diktatur und Krieg ihre Stimme erheben.

Das Programm in der November-Woche in Berlin umfasste unter anderem Besuche des Käthe-Kollwitz-Museums Berlin, des Hauses der Kulturen der Welt, sowie des Dokumentationszen­trums Flucht, Vertreibung, Versöhnung. Daneben gab es viel Zeit für Austausch und Gespräche – in Zeiten wie diesen leider keine Selbstverständlichkeit.

Was wäre ein Workshop jedoch ohne die abendliche Nachbereitung bei einem gemeinsamen Abendessen, einem Besuch in einer Berliner Kneipe und auf einem Weihnachtsmarkt. Diese Gelegenheit im Sinne einer allmählichen Annäherung und eines manchmal mühsamen Perspektivwechsels nutzten die Teilne­hmer:in­nen ausgiebig. Die taz Panter Stiftung wird diesen Rahmen weiter schaffen.

Bis irgendwann einmal Frieden einkehrt. Und darüber hinaus.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.